Rede zur Ausstellung: "Seitenwechsel", 2006, von Prof. Inge Dörries-Höher

Seitenwechsel 

Abgusssammlung Antiker Plastik Berlin am 3.2. 2006 

 

Der künslerische Werdegang von Johannes Kriesche begann in den 80er Jahren in meiner Malklasse in Bielefeld.

Schon 1985 aus der Klasse heraus gründete sich die Gruppe „Tür“ mit den Malerkollegen Gunther Grabe, Michael Nowottny, Michael Plöger, Martin Scholz und Volker Schomeier. Es folgten Ausstellungen dieser damals erfolgreichen Gruppe u.a. im Bielefelder und Herforder Kunstverein, dem Pöppelmann-Haus. Später verlassen einige der Gruppe die Stadt, auch Johannes Kriesche trennt sich von den Malerfreunden und verfolgt seinen künstlerischen Weg allein.

 

Seit dieser Zeit konnte ich die malerische Entwicklung Johannes Kriesches weiter begleiten dann aus der Ferne beobachten, erfreut darüber, daß seine künstlerische Entwicklung, meine Lehre, die der Gegenständlichkeit verpflichtet, als Säule in seiner Malerei erhalten blieb.

 

Die Malerei, diese schwere und schöne Aufgabe verlangt einen eigenen Weg. Es ist nicht einfach nach Vorbildern wie Picasso und Matisse, um nur zwei große Maler zu nennen, die unser europäisches Malverständnis geprägt haben, Möglichkeiten zu finden, die alte Erkenntnisse nicht in Frage stellen.

 

Wenn ich mich auf Bilder des Kataloges ,,Nachtfahrt“ beziehe, die hier zum größten Teil zu sehen sind, so verdient die hier angewandte Technik -zuerst Beachtung.

 

Johannes Kriesche ist ein Maler, der die Vorbilder meiner Generation, Picasso, Matisse und nicht zuletzt Cezanne, der den Duktus der direkten Farb- und Pinselspuren zur Darstellung seiner Bildfindung brauchte, mit dem Einfluß der amerikanischen Malerei, mit Malern wie Warhol, der dem druckgrafischen mechanischen Moment in seine Bildsprache mit einbezieht, verbindet. Malkulturen- oder techniken durch den Einfluß der Medien Fotografie, Video und der Computertechnik, die den Kunstmarkt zunehmend erobert haben, bestimmt, sind Anregung und weitere Auseinandersetzung für seine künstlerische Bildfindung.

 

Johannes Kriesches Werk partizipiert von diesem Nebeneinander. Mit der Malerei, der er sich noch verpflichtet fühlt, macht er einen Spagat zwischen mehreren Medien, die er benutzt und akzeptiert. Für seinen großen Gestaltungswillen spielt die computergesteuerte Druckgrafik wie der computergesteuerte Entwurf eine bestimmende Rolle. Bei dem Gestaltungsprozeß Seherlebnisse seiner engeren Umgebung darzustellen, hilft ihm die alte Technik der Enkaustik. Enkaustik, ein antikes Malverfahren, das die wachsgebundene Farbe heiß aufgetragen oder bei kaltem Auftrag mit heißen Spachtel verschmelzen läßt. Schon in Herculaneum und Pompeji angewandt zieht Johannes Kriesche diese alte vergessene Technik, die nur noch von Schnorr von Carolsfeld im 19. Jahrhundert angewendet wurde, unbekümmert in die Moderne.

Die direkte Farbe wird durch die diffuse schimmernde Oberfläche des Wachses in märchenhafte Ferne und größere Distanz zu unserer realen Welt gerückt. In der Serie der Lichttempel gelingt dem Maler nicht nur thematisch sondern auch maltechnisch eine Symbiose zwischen malerischer und technischer Oberfläche auf überzeugende Weise. Die Tankstellen, Servicestationen unserer beweglichen Welt, werden durch die künstlerische Sicht des Malers zu Tempeln unserer Zeit.

 

Dem gleichen Malverfahren, Farbe, Wachs auf leinwandbespanntem Holz, begegnen wir in dem 16-teiligen Bild „Unterwassergeflüster“ von 2004. Die Schmelzmasse des Wachses verwandelt die mannigfaltigen zahlreichen Naturformen fast zu eine Grisaillemalerei. Die mangelnde Schärfe läßt außerdem die Tiefe des Meeres ahnen.

 

Eine ganz andere Dynamik entfalten die großen Bilder der neuesten Bildserie ,,Swanlike“ 2005. Der Titel ist dem wohl berühmtesten Ballettstück ,,Schwanensee“ entlehnt. Schwanensee, ein Balleft, das Johannes Kriesche in einer modernen Fassung in der Frankurter Oper, statt in der gewohnten weiblichen Besetzung nur von Männern getanzt, erlebt hat.

 

Für ihn Anlaß philosophische Uberlegungen zur Verwandlung, Austauschbarkeit und Gleichberechtigung anzustellen.

 

Der verfremdete Titel: ,,Swanlike“ Es sind Motive und Scenerien aus dem Internet Transvestitenshows, die die Künstlichkeit der Motive dieser Serie unterstreicht. Hier wird die Technik Enkaustik, die alles entrüickende Malerei verlassen und die Farbe direkt und unverdeckt dem Auge preisgegeben. Die stark farbig abgesetzten Farbfelder, spielerisch mit wechselnden Seenerien besetzt, lassen Parallelen zur Collage der Scherenschnitte der letzten Jahre von Matisse erkennen. Gleichzeitig zeigen die intelligent verwendeten, computergesteuerten Druckgrafiken eine Nähe zur amerikanischen Moderne. Trotzdem entsteht eine eigene Sehweise deren Bildlichkeit durch die Zuordnung der Formen, die genannten Einflüsse hinter sich lassend, einen Spiegel unserer jetzigen Welt mit schonungsloser Offenheit präsent macht.

 

Die Zeichnung, die direkteste Sprache des Malers, ist ein zusätzliches Stilmittel für den unb ändigen Gestaltungswillen Johannes Kriesches. Die rythmisch aufgelegte wie eingeritzte Zeichnung bringt die Bilder zum Klingen ohne die Bildarchitektur zu zerstören. Im Bild ,,Swanlike 3“ spart sie den Rhythmus der zeichnenden Hand aus und wirkt wie eingefroren. In dieser Unerbittlichkeit steht sie im reizvollen Kontrast zu den unterschiedlich strukturierten und absichtlich malerisch gehaltenen Flächen.

 

Gewachsenes und Technisches, Poesie und Künstlichkeit, unsere reale Welt in ihrer Widersprüchlichkeit bietet für den Maler unerschöpflichen Reichtum für neue Bildwelten und Experimente. Nicht übersehen möchte ich die Tulpen in ihrer Künstlichkeit im Bild ,,Swanlike 3“ und ,,Swanlike 1“ In ihrer Künstlichkeit, dem Kitsch entsprungen, gefünden in einem Kaufhaus, werden sie zum Hauptdarsteller der Bilder. Triviales wird in den Adelsstand erhoben. Zwischenwelten.

 

Reich an Neuentdeckungen, so sehe ich die Zukunft von Johannes Kriesche. Das Füllhorn mit phantastischen Entdeckungen scheint nun voll, das im Gegensatz zur Büchse der Pandora nur Freude und Begeisterung bringen soll. 2 Nach seinen Plänen gefragt: „Wenn die Bilder nach Geschwistern rufen, kriegen sie eben welche“.

„Gespiegelt 2“

„Gespiegelt 5“

„Gespiegelt 1“

„Swanlike“

„Lichtburg“

„Glücksdoppler“

„Engel der Nacht 2“

„Leder“

„Swanlike“

„Was wäre wenn?“

„Die Antwort der Schwäne?“

 

Prof. Inge Dörries-Höher, Bielefeld, im März 2006